Triebkräfte und Leistungen ausländischen Unternehmertums: Zur Zukunftsfähigkeit der Migrantenökonomie in Baden-Württemberg


Baden-Württemberg zählt seit jeher zu den Ländern mit einem hohen Migrantenanteil in der Bevölkerung. Die Zahl und der Anteil an Migranten unter den Selbständigen fällt dagegen sehr gering aus. Zwar haben in den letzten Jahren die unternehmerischen Aktivitäten von Migranten weit stärker zugenommen als unter den Einheimischen, der Anstieg bleibt aber hinter der bundesweiten Entwicklung zurück. Dennoch hat sich die Migrantenökonomie auch im Südweststaat zu einer nicht übersehbaren Größe entwickelt, wobei dieses Phänomen bislang in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschung kaum beachtet wurde. Das Projekt soll daher dazu beitragen, die diesbezüglich vorhandenen Wissenslücken zu schließen und insbesondere die Entwicklungspotenziale und künftigen Chancen der Migrantenökonomie zu ermitteln.

In Baden-Württemberg besitzen rund 80.000 Unternehmer/innen einen Migrationshintergrund. Allerdings liegt die Selbständigenquote von Migranten seit langem immer einige prozentpunkte niedriger als im Bund, und im Ländervergleich bildet Baden-Württemberg hier sogar das Schlusslicht, obwohl das Gründungsklima insgesamt eher günstig ist. Vor diesem Hintergrund betrachtet die Studie die Motive und Charakteristika selbständiger Migranten sowie die Determinanten ihrer Entwicklung. Im Fokus standen unter anderem die Fragen nach dem Einfluss individueller und ethnischer Ressourcen, sowie die Bedeutung von geschlossenen bzw. ethnischen Märkten für die Gründung und Führung eines Unternehmens. Hervorzuheben ist, dass sich die einzelnen Herkunftsgruppen hinsichtlich ihrer Bildungsressourcen stark unterscheiden, wobei die Angehörigen der ehemaligen Anwerbeländer gegenüber den expandierenden Gruppen aus Osteuropa eher im Nachteil sind. Dennoch erhöht Bildung in jeder ethnischen Gruppe die unternehmerische Neigung. Nicht nur im Vergleich hierzu spielen ethnische Ressourcen sowie auch ethnische Nischen kaum eine Rolle. Mit Blick auf die Gründungsmotive sind neben den Pull- vor allem die Push- Faktoren von Bedeutung. Doch eine Hypothese dahingehend, dass das im Ländervergleich niedrige Niveau der Migrantenselbständigkeit primär auf bessere Arbeitsmarktbedingungen und daher auf einen geringeren „Gründungsdruck“ zurückzuführen ist, konnte nicht bestätigt werden.

Darüber hinaus wurden die volkswirtschaftlichen Leistungspotenziale der Migrantenökonomie und ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort geschätzt. Der Umsatz- und Beschäftigungsbeitrag erreicht zwischenzeitlich zwar eine beachtliche Größe, insbesondere durch die starke Präsenz im Bereich distributiver und persönlicher  Dienstleistungen. Doch im Schatten der großbetrieblichen Produktion, etwa im Stuttgarter Raum, fallen diese Potenziale gesamtwirtschaftlich noch nicht so sehr ins Gewicht. Die Stärke der Migrantenökonomie ist vor allem in ihren Integrationsfähigkeiten zu sehen. Ein besonderes Augenmerk verdient hier der Ausbildungsbeitrag der Betriebsinhaber mit Migrationshintergrund. Er hat noch nicht das Niveau der „Einheimischen“ erreicht und ist daher weiterförderungswürdig. Aber von der in den letzten Jahren dennoch wachsenden Ausbildungsbeteiligung der Migrantenunternehmer profitieren in überproportionalem Maße die benachteiligten Jugendlichen, vor allem diejenigen mit Migrationshintergrund

Projektleitung: Dr. René Leicht
Projektbearbeitung: Dr. Jessica Di Bella, Markus Leiß, Marc Langhauser, Ralf Philipp, Lena Werner
Auftraggeber: Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg
Projektförderung: Landesstiftung Baden-Württemberg
Laufzeit: Januar 2008 bis Februar 2012

Veröffentlichungen

Leicht, René / Berwing, Stefan / Di Bella, Jessica / Langhauser, Marc / Leiß, Markus / Philipp, Ralf / Volkert, Marieke / Werner, Lena (2012): Schöpferische Kraft der Vielfalt: Zugewanderte und ihre Unternehmen. Bedeutung,
Triebkräfte und Leistungen von Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg (und Deutschland). Studie im Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg

Leicht, René / Werner, Lena (2013): Migrantenunternehmer in Deutschland am Anfang des 21. Jahrhunderts: Marktstrategien im Kontext ethnischer und individueller Ressourcen, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 58 (2), 214-233
 

News

SWR-Fernsehen zu Gast im ifm Mannheim (28.04.12)
Landesschau informiert über Studie „Bedeutung, Triebkräfte und Leistungen von Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg. Interview mit René Leicht

Landesschau Baden-Württemberg
5. April 2012 mehr...
Gründungsfreudige Migranten bieten großes wirtschaftliches Potenzial (08.03.12)
Die ifm-Studie: "Bedeutung, Triebkräfte und Leistungen von Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg" wurde von Wirtschaftsminister Nils Schmid und Integrationsministerin Bilkay Öney zusammen mit Michael Woywode und René Leicht der Presse vorgestellt. mehr...
Eine Idee und ein eigener Betrieb (12.06.11)
FAZ.NET 12.06.2011

Rund 7 Prozent der Einwanderer gründen ihren eigenen Betrieb. Vor allem viele Türken haben den Drang zur Selbständigkeit. Dabei sind sie längst nicht mehr nur Gemüsehändler oder Betreiber von Dönerbuden. mehr...

Personen

Prof. Dr. Jessica Di Bella


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