Evolutionstheoretische Ansätze in der Organisationslehre - die Population Ecology-Theorie


Michael Woywode und Nikolaus Beck
"Evolutionstheoretische Ansätze in der Organisationslehre - die Population Ecology-Theorie", in: Alfred Kieser, Mark Ebers (Hrsg.), Organisationstheorien, 7. Aufl. 2014, S. 256-294
ISBN 978-3-17-023022-4

Ansätze der Evolution von Organisationen machen meist Anleihen bei der synthetischen Evolutionstheorie der Biologie, deren Ausgangsbasis bekanntlich von Darwin in "Origin of Species" (Erstausgabe 1859) gelegt worden ist. Weniger bekannt ist, dass es schon vor Darwin evolutionstheoretische Ansätze in den Gesellschaftswissenschaften gab, von denen Darwin angeregt wurde (Hayek 1980: 38ff.; Wieland 1975; Lehmann 1960; Bock 1955). Der Erfolg der biologischen Evolutionstheorie gab dann aber wie­derum sozialwissenschaftlichen Evolutionskonzepten einen mächtigen Auftrieb, die sich ganz bewusst "im Dunstkreis dieser wissenschaftlichen Reputation" ansiedelten (Hettlage 1982: 113).

Die grundlegenden Mechanismen der Evolution werden von vielen Autoren als universell angesehen, d.h. sowohl als anwendbar auf den Kosmos als Ganzes wie auf Spiralnebel, Sterne mit ihren Planeten, Pflanzen, Tiere und Menschen, auf das Verhalten und die höheren Fähigkeiten der Tiere, aber auch auf Sprache und auf historische Formen menschlichen Zusammenlebens, auf Gesellschaften, Glaubenssysteme und Wissenschaften – und auch auf Organisationen. Dabei sind die Mechanismen der Evolution für die verschiedenen Systeme jedoch jeweils anders zu fassen. Es liegt auf der Hand, dass bspw. Rekombinationen von Verhaltenselementen oder von wissenschaftlichen Erkenntnissen auf andere Weise vonstatten gehen als die Rekombination genetischen Erbguts bei der Befruchtung.

Auch in Bezug auf die Entwicklung von Organisationen existieren verschiedene evolutionstheoretische Erklärungsansätze, die sich teilweise erheblich unterscheiden. Zunächst unterscheiden sie sich deshalb, weil in ihnen jeweils andere Einheiten der Evolution untersucht werden. Während einige Ansätze die Evolution ganzer Organisationen analysieren, richtet sich das Interesse anderer auf die Evolution organisatorischer Verfahren, die Evolution von Verhalten in Organisationen oder die Evolution von Erklärungs- und Sinnkonzepten, die in Organisationen zur Anwendung kommen. Wiederum andere Ansätze konzipieren die Evolution von Organisationen in einem Zusammenhang mit der Evolution von Gesellschaften. Die Mechanismen der Variation, Selektion und Reproduktion werden in verschiedenen Ansätzen entsprechend unterschiedlich konzipiert. Das einzig Verbindende zwischen den vorgestellten Ansätzen ist der Versuch, Prinzipien der Evolution zur Anwendung zu bringen.

Der innerhalb der Organisationstheorie am weitesten verbreitete und besten ausgearbeitete evolutionstheoretische Ansatz ist der Population Ecology-Ansatz. Der Population Ecology-Ansatz wurde von Hannan und Freeman im Jahre 1977 mit einer konzeptionellen Studie, die im American Journal of Sociology erschien, begründet. Seither wurde der Ansatz in viele Richtungen weiterentwickelt und hat die Organisationsforschung allgemein stark beeinflusst. Dieser Ansatz wird in dem Beitrag von Michael Woywode und Nikolaus Beck vorgestellt.



15.10.14

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Prof. Dr. Michael Woywode