Round Table Mittelstand: Gehen Deutschland die Gründer aus?


Am 3. November 2014 kamen in Berlin Experten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie mit Wissenschaftler/innen von Wirtschaftsforschungsinstituten – unter ihnen Prof. Dr. Michael Woywode - und Vertreter/innen von Mittelstandsverbänden zum Round Table Mittelstand zusammen. Die Expertenrunde diskutierte vor dem Hintergrund sinkender Existenzgründerzahlen über Herausforderungen und wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf in Bezug auf das "Gründungsgeschehen in Deutschland".

Ein wesentliches Ergebnis der Expertenrunde: Wir müssen in den kommenden Jahren mit weiter sinkenden Gründungszahlen rechnen. Dies ist zum großen Teil eine Folge des demographischen Wandels. Nach den Baby Boomern kommen nun jüngere und kleinere Geburtskohorten in ein Alter, in dem man sich typischerweise für eine Unternehmensgründung entscheidet. Da die Gründungsneigung unter den Erwerbspersonen in Deutschland im Wesentlichen feststeht, folgen aus dieser Konstellation sinkende Gründungszahlen. Aber auch die gute Konjunktur und die hohen Opportunitätskosten von potentiellen Gründungspersonen, die am Arbeitsmarkt als abhängig Beschäftigte gerade sehr gute Chancen haben, führen letztlich zu sinkenden Gründungszahlen in Deutschland. Schließlich haben in der Vergangenheit einige Sondereffekte, wie die EU-Osterweiterung, die Liberalisierung von Gründungen in traditionellen Handwerksbranchen, die Einführung und spätere Streichung der Ich-AG Fördermaßnahme etc. dazu geführt, dass sich die jährliche Gründungstätigkeit bis 2010 auf einem außergewöhnlich hohen Niveau bewegte. All diese Sondereffekte sind jedoch zwischenzeitlich weggefallen und daher sinken die Gründungszahlen in Deutschland seit 2010.

Einziger Lichtblick bei der Analyse des Gründungsgeschehens in Deutschland sind gegenwärtig Personen mit Migrationshintergrund, die, verglichen mit der übrigen Bevölkerung, überdurchschnittlich stark zum Gründungsgeschehen in Deutschland beitragen. Jüngste Auswertungen des ifm Mannheim  (siehe Leicht 2014) zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund in einigen Branchen - wie der Bauindustrie - schon für über 50% der neu gegründeten Unternehmen verantwortlich sind. Die Bedeutung von Personen mit Migrationshintergrund für das Gründungsgeschehen ist aber nicht nur, wie vielleicht zu erwarten, in der Bauindustrie, im sozialen Bereich, im Handel und im konsumorientierten Dienstleistungsbereich sehr groß, sondern zunehmend auch im Bereich der freien Berufe und der wissensintensiven Dienstleistungen, wo bereits 20% der Gründer einen Migrationshintergrund aufweisen.

Doch selbst wenn die Gründungszahlen sinken, ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht so einfach möglich, ein Gründungsdefizit zu konstatieren. Denn es ist nicht nur die Anzahl der gegründeten Unternehmen, sondern auch ihre Nachhaltigkeit, ihre Innovationskraft und ihr Wachstumspotenzial, die den ökonomischen und gesellschaftlichen Wert von Gründungen ausmachen. Qualität geht vor Quantität, so könnte man sagen. Studien belegen, dass es vor allem innovative Gründungen sind, die Beschäftigung aufbauen und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin und Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, die den Round Table Mittelstand eröffnete, sagte: "Wir brauchen mehr Gründerinnen und Gründer, die Mut haben und selbst anpacken. Innovative Gründungen sind Ideenschmieden für die gesamte Wirtschaft und bringen den Wettbewerb voran. Die Wissenschaft bestätigt, dass wir noch Luft nach oben haben. Deshalb wollen wir die Gründungsdynamik stärken. Als Mittelstandsbeauftragte geht es mir besonders um bessere Rahmenbedingungen, damit kreative und innovative Ideen erfolgreich am Markt umgesetzt werden können. Denn nur, wenn Start-ups die passende Finanzierung oder das nötige Wachstumskapital finden, schaffen sie den Markteintritt und können expandieren."

Im Rahmen des Round Table Mittelstand wollen sich künftig Professor/innen sowie Institutsleiter/innen aus dem Bereich Mittelstandsforschung gemeinsam mit Vertreter/innen von Mittelstandsverbänden einmal pro Jahr zu aktuellen Forschungsergebnissen austauschen und daraus Handlungsempfehlungen für die Mittelstandspolitik ableiten.

 



08.11.14

 

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