Als Ingrid Weinhold Anfang der 90er Jahre für ihr Maschinenbau-Unternehmen zu potenziellen Kunden in den Westen reist, wird sie für die Sekretärin gehalten. „Die haben mich gefragt, wann der Chef kommt“, erinnert sich die 56-Jährige, die 1991 gemeinsam mit vier Mit-Gesellschaftern die MABA Spezialmaschinen GmbH in Sachsen-Anhalt gründete. „Das war ich aus Ostdeutschland nicht gewohnt. Dort wurden Frauen im Arbeitsleben gleichwertig behandelt.“
Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall haben sich die Verhältnisse noch nicht vollständig angeglichen. „Im Osten gründen etwa 0,7 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter, im Westen rund 1,1 Prozent“, sagt René Leicht vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim. In absoluten Zahlen sei das ein beachtlicher Unterschied: „Wäre die Quote von Frauen im Osten genauso hoch wie im Westen, dann hätten wir dort pro Jahr statt 29.000 Neugründungen durch Frauen etwa 44.000.“Aus Leichts Forschungsergebnissen ergibt sich auch, dass Ost- und Westdeutsche andere Arten von Unternehmen gründen: So tendieren Frauen im Westen eher dazu, sich im Bereich der wissensintensiven Berufe selbstständig zu machen. Dazu zählen etwa Steuer- und Unternehmensberaterinnen, Rechtsanwältinnen, Ingenieurinnen, Journalistinnen und Medizinerinnen.
Auch Weinhold hat sich für die Gründung entschieden, um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. Das ist ihr gelungen. Nach knapp 25 Jahren ist sie nun alleinige geschäftsführende Gesellschafterin. Aus 16 Mitarbeitern sind mehr als 50 geworden. Auch bei den Kunden im Westen konnte sie sich durchsetzen. „Am Anfang wollten die mich erst mal darüber belehren, was ein Schweißverfahren ist“, erinnert sich die Unternehmerin. Sie habe den Männern im Westen dann erklärt, dass es technisch keinen Unterschied zwischen Ost und West gebe. „Den gab es schon damals nicht.“
Quelle: Handelsblatt, online-Ausgabe vom 7.11.2014