Privilegien bei der Vererbung von Betriebsvermögen werden reduziert


Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts blicken viele deutsche Familienunternehmen skeptisch auf ihre künftige Steuerbelastung. Auch für die Erben kleiner und mittlerer Unternehmen wird sich einiges zum Negativen ändern.

Am Mittwoch hatten die Verfassungsrichter einige Teile des Erbschaftsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Allerdings gestehen sie dem Gesetzgeber weiterhin zu, kleine und mittlere Unternehmen, „die in personaler Verantwortung geführt werden“, steuerlich zu begünstigen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Steuerexperten zeigten sich im Hinblick auf die Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen tendenziell erleichtert. Für diese Firmen werde sich wenig ändern, weniger Vorteile würden künftig jedoch große mittelständische Familienkonzerne haben.

Moniert hatten die Verfassungsrichter insbesondere, dass es für die steuerliche Schonung größerer Unternehmen bislang keine Bedürfnisprüfung gebe. So kritisierten die Richter, dass ein Erbe oder ein Beschenkter, der die Verschonung in Anspruch nehme, nicht belegen muss, dass der erworbene Betrieb ohne eine solche Entlastung des Betriebsübergangs von der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schwierigkeiten käme. „Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen“, erläuterten die Richter in ihrem Urteilsspruch. "Ich gehe davon aus, dass die Klärung der Regelungen rund um die Bedürfnisprüfung für größere und große Familienunternehmen ein kritischer Punkt bei der anstehenden Gesetzesänderung sein wird", sagt Prof. Woywode, Direktor des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim.

Zudem kritisierten die Richter, dass Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig privilegiert würden. Schuld daran ist die aktuelle Lohnsummenregelung. Diese Regelung soll eigentlich sicherstellen, dass auf den Übergang eines Betriebs keine Entlassungswelle folgt und die Beschäftigtenzahl über einen Zeitraum von 7 bis 10 Jahren nicht reduziert wird. Doch für Unternehmen mit maximal 20 Mitarbeitern gilt die Regel nicht, sie konnten bisher in ihrer Personalpolitik nach dem Erbfall frei agieren. Nach Angaben des Bundesfinanzhofs trifft diese Ausnahme aber auf weit mehr als 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland zu. „Betriebe können daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen“, so die Richter. "Ich erwarte daher, dass zukünftig auch kleine und mittlere Unternehmen ihre Beschäftigung auf dem Niveau zum Zeitpunkt der Erbschaft über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten müssen, wenn sie von den Begünstigungsregeln profitieren wollen. Das ist aus meiner Sicht eine signifikante Erschwernis für KMU," sagt Prof. Woywode.   

Besonderen Änderungsbedarf sehen die Richter auch bei der erbschaftsteuerlichen Behandlung von Verwaltungsvermögen. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehungen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, seien legitim und auch angemessen. Grund zur Kritik bietet jedoch die Regelung, dass die Hälfte des begünstigten Vermögens Verwaltungsvermögen sein darf. „Ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögensbestandteilen, die das Gesetz eigentlich nicht als förderungswürdig ansieht, ist nicht erkennbar“, so die Richter. Die Regelung biete Raum für steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft RSM Deutschland GmbH hatte am Nachmittag nach der Urteilsverkündung eine Blitzumfrage gestartet. Befragt wurden Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern, bei denen mehr als 25 Prozent der Anteile in Familienbesitz und Familienmitglieder im Management sind. 58,1 Prozent der Befragten meinen, die Freistellungsgrenze solle künftig weiter bei mindestens 20 Beschäftigten liegen. Die befragten Unternehmen sind nicht nur der Ansicht, dass künftig die Belastung für Unternehmensvermögen steigen werde. 62,1 Prozent glaubtn, dass zusätzlich die Belastungen aus Erbschaft- und Schenkungsteuer für Privatvermögen wachsen.

Der Gesetzgeber muss bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Steuerexperten rechnen eher mit einem „Reförmchen“ als mit einer umfassenden Reform. Bis diese kommt, ist die Rechtslage jedoch unklar. Für Verwirrung sorgt besonders eine Formulierung in der Urteilsbegründung nach der das Gesetz womöglich auch rückwirkend bis zum 17. Dezember 2014 geändert werden kann. Dazu gibt es unter Steuerberatern noch unterschiedliche Interpretationen.

Einige wichtige Gestaltungsspielräume im Bereich des Unternehmensvermögens lassen sich aber auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterhin nutzen. Dazu zählt etwa das „Nießbrauchmodell“, „Kettenschenkung“ und das „Familien-Pooling“. Dabei geht es insbesondere darum, die Freibeträge für Angehörige regelmäßig auszunutzen. "Auch in Zukunft sollte die Regierung  bei der jetzt anstehenden Änderung des Erbschaftsteuergeetzes die Fortführbarkeit von Unternehmen im Fokus haben. Der Mittelstand darf durch die Neuordnung nicht in seinem Bestand und seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit gefährdet werden “ sagt Prof. Woywode, Direktor des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim.


 



20.12.14

 

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