Vererbung von Betriebsvermögen: Wirtschaft und Verbände kritisieren Schäubles Pläne zur Reform der Erbschaftsteuer


Finanzminister Schäuble hat Kernpunkte zur Reform der Erbschaftsteuer ausarbeiten lassen. Die Spitzenverbände der Wirtschaft befürchten neue Fesseln.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stößt mit seinen Plänen zur Reform der Erbschaftsteuer in der Wirtschaft auf Widerspruch. Ihre Vertreter befürchten neue Belastungen. Vorsichtige Zustimmung gibt es dagegen von den Grünen, auf deren Zustimmung die große Koalition im Bundesrat angewiesen sein wird. Wie die F.A.Z. berichtet hat, plant der CDU-Politiker, das private Vermögen in den Blick zu nehmen, wenn es um die Frage geht, ob Erben großer Unternehmensvermögen verschont werden müssen, um die Zukunft des Betriebs und die Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Die Neuregelung ist notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die Ausnahmen für unternehmerisches Vermögen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht für überzogen hält. Unter anderem fordern sie, dass bei großen Unternehmen genau geprüft wird, ob die Verschonung zum Schutz der Arbeitsplätze notwendig ist („Bedürfnisprüfung“).

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies darauf hin, dass ein Erbe schon heute Erbschaftsteuer zahlen muss, wenn privates Vermögen vererbt wird. „Sollte also das private Vermögen bei der Bedürfnisprüfung herangezogen werden, käme es faktisch zu einer Doppelbesteuerung“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer dieser Zeitung. Sollte zudem beim Erben noch das vorhandene private Vermögen in die Bedürfnisprüfung einbezogen werden, müsse dieses erst einmal bewertet werden. Die Ermessensspielräume für die Finanzämter würden zu erheblichen Verunsicherungen führen.

Ein Knackpunkt der Reform ist, wann ein Unternehmen als „groß“ eingestuft wird. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Regierungskreisen erfahren hat, plant Schäuble eine Grenze, die niedriger sein soll als 70 Millionen Euro – je Erwerb. Sieben wichtige Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft hatten vorgeschlagen, die Bedürfnisprüfung erst von 300 Millionen Euro an starten zu lassen. Auch bei ihnen hieß es: je Erwerb. Wenn ein Unternehmen 50 Familienmitgliedern zu gleichen Teilen gehört, wäre nach dem Konzept der Wirtschaft eine Bedürfnisprüfung erst notwendig, wenn es 15 Milliarden Euro wert wäre. Dies war für Schäuble offensichtlich viel zu restriktiv. Die verfassungsrechtlichen Risiken wachsen mit der Höhe des neuen Grenzwerts.

Die Grünen-Politikerinnen Kerstin Andreae und Lisa Paus nannten Schäubles Ansatz richtig, mit der Bedürfnisprüfung bei den Erben anzusetzen. Ein Grenzwert von 70 Millionen Euro für die Bedürfnisprüfung wäre nach ihrer Einschätzung allerdings viel zu hoch. Der DIHK-Präsident trat solchen Einschätzungen entgegen: Das Bundesverfassungsgericht bringe selbst eine Grenze von 100 Millionen Euro ins Spiel und beziehe sich dabei auf einen Gesetzentwurf von vor 10 Jahren. „Dies ist jedoch nicht ausreichend, da die Unternehmen heute aufgrund des aktuellen Bewertungsverfahrens mit etwa dem Dreifachen bewertet werden“, betonte Schweitzer. Daher sollte der Grenzwert bei 300 Millionen Euro je Erwerb liegen.

Das Handwerk befürchtet neue Lasten für kleinere Betriebe. Unternehmen mit weniger als zwanzig Beschäftigten müssen bisher nicht dokumentieren, dass sie bestimmte Lohnsummengrenzen einhalten, um von der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschont werden zu können. Dass heute mehr als 90 Prozent der Unternehmen von der Pflicht ausgenommen sind, den Erhalt der Arbeitsplätze nachzuweisen, um steuerlich privilegiert zu werden, ging den Verfassungsrichtern zu weit. „Wir brauchen weiterhin eine Sonderregelung für kleinere Betriebe, weil bei ihnen schon der Ausfall nur eines Mitarbeiters ein Schlag ins Kontor ist“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, der F.A.Z. Er nannte als Beispiel einen Mitarbeiter, der Elternzeit nehme. Wenn für ihn kurzfristig kein fachlich geeigneter Ersatz gefunden werde, dürfte in kleinen Betrieben die vorgesehene Lohnsumme verfehlt werden – mit der Folge, dass dann die volle Erbschaftsteuer fällig würde.

Schäuble will die Ausnahme für kleine Betriebe künftig am Unternehmenswert festmachen. „Es erscheint uns wenig sinnvoll, wenn man aufwendig für alle Unternehmen den Wert feststellt, um so die kleineren Betriebe zu ermitteln, denen man aus guten Gründen bestimmte Nachweispflichten nicht zumuten will“, warnte Schwannecke. Er sprach sich dafür aus, am Kriterium Mitarbeiterzahl festzuhalten. Der von Bayern ins Spiel gebrachte neue Schwellenwert von fünf Beschäftigten sei jedoch eindeutig zu niedrig.






19.02.15

 

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