Interview mit der MCEI–Kursausgründung Bacchus


Die Idee zur Gründung des Startups Bacchus Software ist den Gründern in einem MCEI – Kurs gekommen. Wie genau sie entstanden ist und wobei die MCEI–Formate geholfen haben, ist Teil des nachfolgenden Interviews. Bacchus Software bietet Software für Weinbauern an.


Was ist die Gründungsgeschichte hinter Bacchus Software?

Das Projekt entstand im Rahmen des Kurses Creativity and Entrepreneurship in Practice, angeboten durch das MCEI. Dort konnte Philipp seinen Gedankenspielen zu einer Software für Winzer und weinanbauende Betriebe zum ersten Mal Leben einhauchen. Am Ende des Kurses stand ein Geschäftsmodell mit zum Teil validierten Annahmen über die Bedürfnisse, Wünsche und Probleme der regionalen Winzer. Ein Schlachtplan, eine grobe Skizze des Produkts, aber vor allem: Die Vision von der Digitalisierung des Weinbaus, die Max und Julian überzeugte und der sie sich anschlossen.

bacchus, das sind heute wir drei: Philipp Bletzer, Maximilian Dick und Julian Herrlich. Philipp und Max studieren Wirtschaftsinformatik an der Uni Mannheim und der TU Kaiserslautern. Sie programmieren die Software und die digitale Infrastruktur. Außerdem kümmern Sie sich um die Weiterentwicklung des Funktionsumfangs der Software. Sie profitieren dabei von ihren Erfahrungen aus den familiären oder befreundeten Weingütern. Julian studiert im Master in Management an der Uni Mannheim. Durch seine beruflichen Erfahrungen in Weingütern in Deutschland und Kalifornien bringt er zusätzlich zu seinen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, Impulse und praktische Hinweise in die Softwareentwicklung ein.

 

Wie sehr haben Euch MCEI–Kurse und Angebote bei Eurem Projet geholfen?

Ohne das MCEI wären wir in dieser Konstellation wohl nie zusammengekommen. Auch wenn Philipp es mit seinem Tatendrang sowieso nicht mehr lange ausgehalten hätte, sich an die Umsetzung der Idee zu machen, diente der Kurs MAN 631 doch als launch pad für das, was später einmal bacchus werden sollte. 

Als Philipp und Max sich im FSS 2020 Unterstützung im Kurs Entrepreneurial Spirit suchten, war noch nicht abzusehen, dass sie den studentischen Berater nach Beendigung des Inside the Venture-Projektes nicht mehr loswerden würden. Seit dieser Zeit ist Julian Teil des dreiköpfigen Gründerteams. Das MCEI hatte erfolgreich drei weinbegeisterte Studenten mit sich ergänzenden Kompetenzen zusammengebracht, die sich sonst womöglich nie begegnet wären.

Auch im darauffolgenden Semester konnten wir mithilfe eines studentischen Beraters große Fortschritte bei der detaillierte Ausarbeitung unseres Geschäftsmodells machen. MMM-Student Kourosh führte Kundeninterviews, prüfte ausgewählte bisherige Annahmen unseres Geschäftsmodells und recherchierte eigenständig zur Umsetzbarkeit von Featureideen. 

Mittlerweile gehen wir mit dem MAN 633 im FSS 2021 in die dritte Teilnahmerunde. Wir konnten diesmal sogar drei hochmotivierte Studenten aus den verschiedensten Fachrichtungen von unserer Vision überzeugen und freuen uns nun auf die gemeinsame Zusammenarbeit.

 

Seid ihr alle verrückt nach Wein?

Dass wir eine Software für regionale Winzer entwickeln wollen, ist nicht das Ergebnis einer umfangreichen Markt- und Nischenattraktivitätsanalyse. Es ist eine Herzensangelegenheit. Es ist der Wunsch, einen kleinen Teil beitragen zu wollen, im Prozess der Wertschöpfung deutscher Qualitätsweine. Wenn wir beim Abendessen wieder einmal eine Flasche vom Winzer aus dem Nachbarort öffnen und mit dem Wissen genießen, dass bacchus bei der Herstellung dieses Weines behilflich sein konnte – dann haben wir unser Ziel erreicht. Am Ende ist es ist die regionale Verbundenheit und die Freude am Weintrinken, die uns drei eint und antreibt. 

 

Wie würdet Ihr Euer Produkt jemandem erklären, der davon noch nie gehört hat?

Wer Wein nur vom Supermarktregal kennt, der muss zunächst verstehen, wieviel Arbeit in der Bearbeitung und Pflege von Weinreben steckt und welcher Koordinationsaufwand für den Winzer damit verbunden ist. Unsere Vision einer allumfassenden Digitallösung im Weinbau beschreiben wir dann so: „Und jetzt bringen wir alle relevanten Weinbergsinformationen auf den Computer. Der Winzer muss nicht mehr rausgehen, er muss keine handschriftlichen Notizen mehr in schweren Aktenordnern verteilen. Er sieht alles auf seinem Computer: Das Wetter, die Entwicklung seiner Rebstöcke, die Arbeit seiner Mitarbeiter. Und dann plant er wo, was, wann und durch wen erledigt wird, ohne das Haus zu verlassen. Außerdem möchte der deutsche Staat ein Auge darauf werfen, wenn der Winzer mit Pflanzenschutz- und Düngemitteln hantiert. Also dokumentieren wir für ihn diese Informationen gleich mit, wenn die entsprechenden Tätigkeiten erledigt werden.“

 

Wie ist die Akzeptanz unter Kunden? Sind Weimbauern nicht zu konservativ für die Nutzung einer Software?

Junge Winzer, die das Weingut ihrer Familie in den letzten Jahren übernommen haben, sind als Early Adopternatürlich unsere nächste Zielgruppe. Sie sind gut ausgebildet, mit der digitalen Welt aufgewachsen und oftmals von selbst bestrebt, alte Prozesse und Denkmuster aufzubrechen und zu verändern. Davon gibt es einige und diese jungen Winzer sind für uns enorm hilfreich, denn sie bringen von sich aus schon ein Verständnis für Technologie mit und haben teilweise genaue Vorstellungen und gute Ideen, wie Software im Weinbau eingesetzt werden kann.  

Das andere Extrem sind natürlich die Weinbauern vom Schlag „Das haben wir immer schon so gemacht!“, die sich selbst als „analoge Dinosaurier“ bezeichnen. Wir sehen diese Skepsis als Herausforderung: Welche Funktionen müssen wir entwickeln, damit sich selbst der Außenbetriebsleiter, der noch auf sein Tastenhandy schwört, dazu entscheidet, die Arbeitsprozesse seiner Mitarbeiter mithilfe von IT neu zu ordnen, zu verbessern und effizienter zu machen. Als die nächste Generation ist es unsere Aufgabe, den deutschen Winzern von den Möglichkeiten der Digitalisierung zu berichten und die Vorteile digitaler Prozesse glaubwürdig darzustellen. Das ist unser Beitrag zur Weiterentwicklung des deutschen Weinbaus.

 

Was sind gegenwärtig die größten Herausforderungen? 

Seit Ende 2019 arbeiten wir an der Entwicklung unserer Software. Seit März ist unser MVP bereit, von Weingütern implementiert zu werden. Weitere Funktionen liegen bereits in der Pipeline, doch zunächst ist es unsere Aufgabe, den Pfälzer Winzern zu zeigen, dass es uns gibt und was wir ihnen anbieten können. Es geht in dieser Launchphase darum, Entwicklungspartner unter den Weingütern zu finden, die unsere Vision teilen und den Nutzen der Software erkennen.

 

Wie kommt es, dass Ihr nicht in Berlin seid? Wie findet Ihr das Startup–Ökosystem an der Uni Mannheim?

Was wollen wir in Berlin? Im Prinzip gehören wir nach San Francisco, direkt in den Salesforce-Tower. Denn von dort ist es nur ungefähr eine Stunde Autofahrt ins kalifornische Superstar-Weinanbaugebiet Napa Valley. Dort gibt es einige Weingüter von Weltrang und auch das Wetter ist besser. Spaß beiseite, aber es ist so: Einer der wichtigsten Aspekte unseres Geschäftsmodells ist die kundennahe Entwicklung und der persönliche Support. Alles geschieht in Zusammenarbeit mit den Winzern. Keine Entscheidung wird getroffen, ohne dass wir uns die Meinung derer einholen, die die Software am Ende nutzen sollen. Abgesehen davon, dass zwei von uns sowieso gebürtige und überzeugte Pfälzer sind, bietet Mannheim die perfekte Lage: Eine lebenswerte Großstadt mit Nähe zur Industrie und Forschung. Zwei der größten und renommiertesten Weinanbaugebiete Deutschlands, die Pfalz und Rheinhessen, liegen direkt vor den Toren der Stadt. Also wenn schon nicht San Francisco, dann aber zumindest Mannheim.

 

Welchen Rat würdet Ihr anderen studentischen Gründern geben? 

Ob wir wirklich qualifiziert dazu sind, Ratschläge zu geben, ist fraglich. Jeden Tag wissen wir noch besser, dass wir nichts wissen. Nichtsdestotrotz, hier sind zwei Dinge, die mir spontan einfallen: Versucht Probleme für eure Kunden zu lösen, die euch wirklich etwas bedeuten und deren Lösung euch echte Freude bereitet. Wären wir drei Biertrinker, die sich nicht für den deutschen Weinbau interessierten, wir hätten bereits drei Mal aufgegeben und das Projekt eingestampft. Selbst wenn unser Vorhaben am Ende nicht von Erfolg gekrönt sein sollte, haben wir auf dem Weg dahin wahnsinnig viel dazugelernt und gemeinsam eine Menge Spaß gehabt. 

Außerdem noch ein praktischer Hinweis, den wir auf die harte Tour lernen mussten: Die Probleme der Kunden erkennen und validieren ist das eine, daraufhin Funktionen entwickeln, die der Kunde wirklich nutzen möchte, ist das andere. Ideen und Konzepte müssen beharrlich und konkret mit den potenziellen Nutzern besprochen werden. Ein fortwährender Austausch mit den Kunden – „Co-Creation“ – ist das Ziel. 

 

 


27.05.21

 

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