Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: Unter dem Druck der Öffentlichkeit entscheiden sich immer mehr deutsche Unternehmen für einen Abbruch ihrer Geschäftsbeziehungen mit Russland. Richtig so!


Putins Überfall auf die Ukraine hat für Zehntausende Tote und Verletzte sowie Millionen Geflüchtete gesorgt. Viele deutsche Unternehmen haben sich aus Protest gegen die Invasion von Russland in die Ukraine bereits vom russischen Markt zurückgezogen - unabhängig von den durch die EU und den USA gegen Russland verhängten Sanktionen. Ziel ist es, den Druck auf die politische Führung in Russland zu erhöhen. Russland reagiert nur auf Stärke und Abschreckung.

Unternehmen aller Größenordnung und aus allen Branchen haben sich in den vergangenen Tagen aus Russland zurückgezogen. Zuletzt erklärten auch Adidas, OBI, Allianz und Siemens ihren Rückzug und selbst Unternehmen aus der Pharmabranche oder der Lebensmittelindustrie, wie Bayer oder Merck schränkten ihre Geschäftstätigkeit in Russland auf ein Minimum ein. Putin hat offensichtlich eine rote Linie überschritten und erhält nun eine eindeutige Reaktion aus der Wirtschaft. Ein befreundeter Unternehmer sagte zu mir: “Kein Markt ist groß genug, um ein solches Verhalten (der Russen) zu rechtfertigen. Wer sich jetzt nicht zurückzieht, der hat kein Herz und keinen Verstand.” Dem ist nichts hinzuzufügen.

Doch es gibt – neben der kurzfrstigen Reaktion von Wirtschaft und Politik - auch grundsätzlichen Klärungsbesdarf: Deutschland und seine Unternehmen müssen ihre Rolle in der Welt und ihre Haltung geneüber der Welt überdenken. Die Friedensdividende, die wir als Land in den letzten Jahrzehnten vereinnahmt haben, ist mit einem Schlag aufgebraucht. Und die Frage steht im Raum, wie es dazu kommen konnte. Kürzlich hat Constanze Stelzenmüller im »Economist« die deutsche Situation folgendermaßen zusammengefasst: »Deutschland hat seine Sicherheit an die USA ausgelagert, seinen Energiebedarf an Russland und sein export-bedingtes Wirtschaftswachstum an China.« Wollen und können wir so weitermachen?

Natürlich haben die europäischen Sanktionen und Rückzugsentscheidungen deutscher Unternehmen auf russischer Seite zu Gegenreaktionen geführt. Die russischen Behörden haben ausländischen Unternehmen gedroht, falls sie sich aus Protest gegen den Ukraine-Krieg aus dem Land zurückziehen, die in Russland befindlichen Unternehmenswerte entweder zu verstaatlichen oder zumindest russische Verwalter einzusetzen, welche die deutschen Unternehmen dann auf russischem Territorium fortführen. In der Realität werden beide Reaktionen Russlands mit großer Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben.

Selbst Unternehmensverbände, die sich in der Vergangenheit immer sehr russlandfreundlich verhielten, wie der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft, sind entsetzt. So sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes zum russischen Angriff auf die Ukraine: „Wir sind zutiefst erschüttert über den russischen Überfall auf die Ukraine. Dies ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriff auf einen souveränen Staat, seine Bürgerinnen und Bürger und auf den Frieden in Europa und der Welt insgesamt. Das ist ein schwarzer Tag für Europa. Wir fordern Präsident Putin eindringlich auf, die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch dieser Krieg wird nur Verlierer kennen.”

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft hat sich seit 70 Jahren um den Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen mit Osteuropa bemüht. Er hat sich dabei immer auch als „Brückenbauer“ gesehen, der zur politischen und gesellschaftlichen Verständigung und Aussöhnung mit der Region beiträgt. Angesichts der Entwicklungen in der Ukraine müssen die Erfolge dieser Arbeit massiv in Frage gestellt werden. Und dabei hätte man schon viel früher auf die Idee kommen können, dass hier etwas im Argen liegt. Wladimir Putin ist beinahe unbeschadet davongekommen mit folgenden Aktionen: Georgien-Krieg, Tschetschenienkrieg, Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan, Überfall und Annexion der Krim sowie der ostukrainischen Gebiete, Manipulation der Öffentlichkeit zur Destabilisierung der EU und der USA, Vergiftung und Einsperrung von Nawalny, Vergiftung von Dritten in der EU, Unterstützung rechtsradikaler Parteien in ganz Europa, staatliche Ermordung eines Mannes in Deutschland, Bundestags-Hack, Streubomben und Giftgas-Einsatz in Syrien, absichtsvolle Bombardierung von Zivilisten und Krankenhäusern ebendort. Das alles hat über Jahre nicht einmal ausgereicht, um Nord Stream 2 zu stoppen. Und offenbar auch nicht, strukturell gegen die Abhängigkeit von Putin vorzugehen. Wenn wir unsere politische und wirtschaftliche Haltung überdenken, können wir aber nicht bei Russland stehen bleiben, sondern wir müssen auch China in unsere Überlegungen einbeziehen..Die Dauer des Kriegs in der Ukraine wird entscheidend davon abhängen, wie sich China gegenüber Russland verhält. Wir sollten China an dieser Stelle nicht aus der Pflicht lassen.

Michel Woywode

 


17.03.22

 

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