Corporate Governance in Familienunternehmen. Eine theoretische und empirische Auseinandersetzung


Die Corporate Governance-Thematik wurde bisher wissenschaftlich vor allem am Beispiel von börsennotierten Unternehmen im Zusammenhang mit der Principal-Agent-Theory untersucht. Bei der überwältigenden Mehrheit der kleinen und mittleren Familienunternehmen in Deutschland, die nicht in der Rechtsform der AG firmieren, stellen sich aber die Fragen im Zusammenhang mit der Corporate Governance etwas anders. So beinhalten die Themen der Corporate Governance im mittelständischen Familienun­ternehmen neben der Zusammensetzung und der Arbeit der Führungs- und Kontrollorgane insbesondere die Mitarbeit von Familienangehörigen, Regeln für den Leistungsbezug, Aus­sagen zur Feststellung und Verwendung des Jahreser­gebnisses, der Entnahme von Gewin­nen, die Übertragbarkeit und Vererbbarkeit von Beteiligungen sowie die Bedingungen für ein Ausscheiden von Familienmit­gliedern aus dem gemeinsamen Unternehmen. Diese Punkte sind mit den klassischen Problemen der Corporate Governance vergleichbar, betreffen sie doch die Situation des Interessenausgleichs für Familienmitglieder mit Beteiligungen am Vermögen und Ertrag des Familienunternehmens in der Gegenüberstellung zu den geschäftsführenden Familienmitgliedern und den Interessen des Betriebs.
In der Literatur gibt es sehr widersprüchliche Ergebnisse im Hinblick auf die Überlegenheit von großen Familienunternehmen gegenüber anderen vergleichbaren Unternehmen bezüglich der Performance, auch weil davon auszugehen ist, dass Corporate Governance in jeder Gesellschaft mit ihren spezifischen Rahmenbedingungen eine eigene Ausformung erfährt Allgemein wird aber davon ausgegangen, dass in Deutschland Familienunternehmen im mittelständischen Bereich Vorteile im Hinblick auf Performance und Wettbewerbsfähigkeit besitzen. So drängt sich die Frage auf, ob sich diese Annahmen für den Mittelstand bestätigen lassen? Um sich einer Antwort zu nähern sollen folgende Punkte und Fragen betrachtet werden:
Eine zentrale Frage, die sich vor dem Hintergrund der Literatur stellt, lautet: Können Unterschiede in der Performance zwischen Familienunternehmen und anderen Unternehmen auch damit erklärt werden, inwieweit es gelungen ist, die Konflikte zwischen den im Betrieb beschäftigten Familienmitgliedern und den lediglich am Betrieb beteiligten Familienmitgliedern durch geeignete Corporate Governance Maßnahmen zu lösen, so dass die Vorteile der familiären Ressourcen überwiegen? Kann dabei die Principal-Agent-Theorie als Ausgangspunkt der Erklärung dienen?
Alternativ soll hier auch geprüft werden, ob sich die Unterschiede in der Performance im Rahmen der Stewardship-Theorie erklärt werden können. So würde demnach durch den außergewöhnlichen Einsatz des familienzugehörigen Managements, das eine beson­dere emotionale Bindung zur Eigentümerfamilie besitzt und daher den Zielen des Unter­nehmens sich in besonderer Weise verpflichtet fühlt und der breiten Unterstützung der Familie der Erfolg des Unternehmens zustande kommen. Wie ist hier der Einsatz eines Fremdmanagements einzuordnen? In diesem Kontext ist zu vermuten, dass sich hier wahrscheinlich auch eine gute Family Governance auswirkt, da z.B. die Einigkeit der Familie in einem Familienunternehmen von herausragender Bedeutung ist.
In Deutschland lässt sich ebenfalls beobachten, dass es unter den Familienunternehmen sehr erfolgreiche gibt, die ausgehend von annähernd gleichen Bedingungen ihre Konkurrenten weit hinter sich gelassen haben. In diesem Kontext des Erfolges sind die folgenden Fragestellungen von besonde­rer Bedeu­tung und sollen daher in Forschungsprojekten behandelt werden:
Gibt es einen Zusammenhang zwischen guter Corporate Governance und dem Erfolg von Familienunternehmen (Woywode 2004)? Lässt sich so ein Zusam­menhang an den Outperformern unter den deutschen Familienun­ternehmen nach­weisen (Ganz et al. 2005)? Gibt es eine optimale Organisation für das Management des Unternehmens durch Familienmitglieder, insbesondere vor dem Hintergrund der Stadien des Fami­lienunternehmens vom Gründerunternehmen über die Geschwistergesellschaft bis hin zum Vetternkonsortium? Welche Risiken und Vorteile ergeben sich für spezifi­sche Unternehmenssituationen? Diese Fragen verweisen auch auf den Einführungsprozess von Corporate Governance Maßnahmen. Die Dynamik und die Auswirkungen derartiger organisatorischer Veränderungen wird in den Arbeiten von Beck et al. (2008a, 2008b) untersucht.

 


News

Mitarbeiterbindung in mittleren Unternehmen mit und ohne Familieneinfluss (23.10.12)
Deloitte. 3/2012
Fokus Mittelstand - einzigartiger Erfolg mehr...
Corporate Governance in geschlossenen Gesellschaften (01.06.12)
Michael Woywode, Detlef Keese, Jan-Klaus Tänzler
Corporate Governance in geschlossenen Gesellschaften - insbesondere in Familienunternehmen
in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Volume 41, Issue 2-3, S. 419 - 445
Die Aufgabe von Aufsichtsgremien in deutschen Familienunternehmen - Eine empirische Betrachtung zur Unterscheidung von Stewardship- und Agencysituationen (11.03.11)
Jan Tänzler
Erste Konferenz deutschsprachiger Zentren für Familienunternehmensforschung
11.-12.03.2011 in Witten mehr...
 
Initiativen und Portale des ifm:
Dr. Jan Klaus Tänzler
Annegret Hauer
Annegret Hauer
Dr. Jan Klaus Tänzler
Dr. Detlef Keese
Dr. Detlef Keese