Geschlechterdifferenzierende Arbeitsmarktanalysen im Europäischen Sozialfonds in Baden-Württemberg


Ein in der ESF-Förderung vielfach dokumentiertes Defizit bei der Umsetzung der Gleichstellung der Geschlechter ist der Mangel an aussagekräftigen geschlechterdifferenzierenden Daten zur Entwicklung, Struktur und Beschaffenheit des Arbeitsmarktes. Dies betrifft auch Fragen der Geschlechtergleichheit im Mittelstand und in der beruflichen Selbständigkeit. Das ifm Mannheim unterstützte mit der Durchführung geschlechterdifferenzierender Arbeitsmarktanalysen die Umsetzung der Gleichstellung der Geschlechter in allen Kreisen Baden-Württembergs.

Da Maßnahmen der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung vielfach in der Zuständigkeit lokaler Akteure liegen, müssen auch in den Regionen die Strukturen und Wirkungen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung a) erkannt, b) bewertet und c) konzeptionell angegangen werden. Die von der EU-Kommission geforderte Sicherstellung von nach Geschlecht aufgeschlüsselten Statistiken ist jedoch nur ein erster Schritt. Ein zweiter muss darin bestehen, diese Daten einer gendersensiblen Analyse zu unterziehen.

Das Projekt begleitete die ESF-Arbeitskreise in den baden-württembergischen Regionen bei der Umsetzung von GeM insbesondere durch:
  • eine Online-Befragung: Der bereits im Vorläuferprojekt ermittelte und noch bestehende Handlungsbedarf wurde durch eine Online-Befragung validiert, konkretisiert und weiterer Handlungsbedarf ermittelt und Bereitstellung der Daten als Datenbank (esf.uni-mannheim.de/)
  • Exemplarische Auswertungen und Interpretationen der Daten für alle Kreise Baden-Württembergs plus ausgewählte Grafiken (esf.uni-mannheim.de/index.php?link=26) unter systematischer Berücksichtigung der geschlechterspezifischen Strukturen
  • Unterstützung bei der Entwicklung von ESF-Arbeitsmarktstrategien in den Arbeitskreisen
Der Kranz an Daten rekrutiert sich im Wesentlichen aus amtlichen und halbamtlichen Statistiken. Nach einer Analyse der Ausgangslage durch die Erfassung der (1) soziodemographischen Merkmale und (2) der betrieblichen Strukturmerkmale als Kontextvariablen, widmete sich das Projekt bisher vor allem (3) den Beschäftigungsstrukturen und geschlechtsspezifischen Erwerbsmustern, wie horizontaler und vertikaler Segregation, der Erwerbsbeteiligung, den Voll- und Teilzeit- und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, (4) der Struktur von Arbeitslosigkeit, (5) der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, der Familienfreundlichkeit von Kommunen und (mittelständischen) Betrieben sowie (6) den Parametern der regionalen Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung.

Als Fazit ist - neben vielen anderen Befunden - festzuhalten, dass auch in Baden-Württemberg noch immer deutlich weniger Frauen als Männer einer Erwerbsarbeit nachgehen. So sind von allen Frauen zwischen 15 und 64 Jahren rund 68% erwerbstätig, unter den Männern jedoch 83%. Allerdings nimmt die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu. Dies ist vor allem ein Effekt zunehmender Teilzeitbeschäftigung und geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, was sich auch in dem von Frauen und Männern unterschiedlichen Arbeitsvolumen niederschlägt. So ist die Zahl erwerbstätiger Frauen in Baden-Württemberg zwar seit 1990 gestiegen, hingegen die Zahl der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden kaum. Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit hat sich sogar um fast 4 Std./Woche verringert.

Auch wenn sich einige regionale Unterschiede zeigen, z.B. Stadt-Land-Unterschiede in der Höhe der Beschäftigungsquote, wobei in den Städten eine generell höhere Beschäftigungsquote vorzufinden ist, so bleiben die Geschlechterunterschiede im Wesentlichen bestehen und variieren nur in ihrer Stärke über die Regionen hinweg.

Das geschlechtstypische Berufswahlverhalten hat sich kaum verändert, was sich bereits beim Berufswunsch von SchulabgängerInnen zeigt. Sog. „Frauenberufe“ bieten jedoch weniger Karrierechancen. Nicht zuletzt auch deshalb hat sich die  geschlechterhierarchie am baden-württembergischen Arbeitsmarkt kaum verändert. Frauen sind in gehobenen Positionen stark unterrepräsentiert. Hinzu kommt allerdings, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auch innerhalb einzelner Berufsfelder ersichtlich wird. In Bezug auf das Gründungsgeschehen stehen die Frauen in Baden-Württemberg nicht nur quantitativ (Frauenanteil 31%) sondern auch qualitativ zurück: Die Betriebsgründungen von Frauen sind nicht nur kleiner, sondern auch von geringerer wirtschaftlicher Substanz. Tendenziell finden sich diese Geschlechterunterschiede auch in den Regionen Baden-Württembergs.

Der Nutzen der im Projekt durchgeführten Analysen ist nicht nur in der Geschlechterperspektive zu finden, sondern liegt gleichzeitig darin, dass die Untersuchungen profunde Entscheidungsgrundlagen für die Ausrichtung regionaler wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen bieten. Die im Rahmen der bisherigen Projektarbeit entstandene Datenbank bietet Ergebnistabellen für die Jahre 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 an und bildet die Entwicklungen seit dem Jahr 2000 ab.

Projektleitung: Dr. René Leicht
Projektbearbeitung: Maria Lauxen-Ulbrich, Stefan Berwing
Auftraggeber: Europäischer Sozialfonds (ESF), Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg
Kooperation: proInnovation GmbH, Stuttgart
Laufzeit: Folgeprojekt (ehemals Gender Mainstreaming) Januar 2009 bis September 2011

Veröffentlichungen:

Guyot, Alice / Berwing, Stefan / Lauxen-Ulbrich, Maria (2009): Income differentials on regional labour markets in Southwest Germany, Panoeconomicus 56 (3), 379-396

Weitere Veröffentlichungen finden sich zum Download unter esf.uni-mannheim.de/

News

Im Arbeitsleben trennen Mann und Frau nach wie vor Welten (22.12.10)
Interview mit Maria Lauxen-Ulbrich von
Erich Reimann, dapd Nachrichtenagentur
erschienen in:
boulevard Baden 22.12.2010 mehr...

Verweise ins Internet

Beteiligte Organisationen

Europäische Union - Europäischer Sozialfonds
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg
proInnovation GmbH
 
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Stefan Berwing
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