Qualifikationsbedarf und wirtschaftliche Probleme unter türkischen Existenzgründern und Selbständigen in Mannheim


Das Deutsch-Türkische Bildungs- und Wirtschaftszentrum in Mannheim (dtw) hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, türkische Unternehmensgründungen durch verschiedene Maßnahmen, vor allem aber durch Betreuungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern. Diese Maßnahmen wurden durch eine Untersuchung des ifm zum Qualifizierungsbedarf und den wirtschaftlichen Problemen der Existenzgründer/innen flankiert. Insgesamt liefert die Untersuchung mannigfaltige Hinweise, in welcher Weise die Beratungs- und Qualifizierungsresistenz unter türkischstämmigen Selbständigen durch gezielte Gestaltungsmaßnahmen angegangen werden könnte und in welchen Bereichen Unterstützung notwendig erscheint.

Allein schon die Alltagsbeobachtung zeigt, dass sich in den Städten mit einem hohen Ausländeranteil eine lebhafte Migrantenökonomie entwickelt. So beweisen insbesondere Migranten türkischer Herkunft eine ausgeprägte Gründungsneigung. Doch viele der neu entstandenen Läden und Büros verschwinden nach kurzer Zeit schon wieder.
Das mit der finanziellen Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt entstandene Deutsch-Türkische Bildungs- und Wirtschaftszentrum in Mannheim (dtw) hat sich daher u.a. zum Ziel gesetzt, türkische Unternehmensgründungen durch verschiedene Maßnahmen, vor allem aber durch Betreuungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern. Diese Maßnahmen wurden durch eine Untersuchung des ifm zum Qualifizierungsbedarf und den wirtschaftlichen Problemen der Existenzgründer/innen flankiert.

Im Verlauf der Untersuchung wurde in etwa jeder dritte türkischstämmige Selbständige in Mannheim ausführlich befragt. Die Ergebnisse reflektieren zunächst die schon bundesweit gewonnene Erkenntnis, dass lediglich die Hälfte aller türkischstämmigen Existenzgründer über eine Berufsausbildung verfügt. Es mangelt aber genauso an kaufmännischen Kenntnissen sowie an Arbeits- und Branchenerfahrung. Darüber hinaus liefert die Mannheimer Erhebung detaillierte Daten über die Marktsituation und Strategien der Selbständigen sowie über die Entwicklung und Leistungspotenziale ihrer Betriebe. Als besonders erdrückend erweist sich die innerethnische Konkurrenz, die unter türkischen Gastronomen, Händlern und sonstigen Dienstleistern deutlich zugenommen hat. Hier spielen auch Imitationseffekte eine erhebliche Rolle. Gründungen werden zudem nur unzureichend vorbereitet. Bei über der Hälfte entstand die unternehmerische Ambition äußerst spontan. So hatten auch zwei Drittel keinen Businessplan erstellt. Hinzu kommt, dass migrantenspezifische Gründerzentren zwar grundsätzlich begrüßt, aber deren Beratungs- und Qualifizierungsangebote nur wenig und dann zumeist reaktiv und nicht vorausschauend in Anspruch genommen werden. Soweit deren Angebote interessieren, besteht ein hoher Bedarf an Expertise im Marketing- und Finanzierungsbereich. Aber auch dieser Qualifizierungsbedarf ist kaum von systematischer und prospektiver Natur als vielmehr an individuellen Lösungsstrategien orientiert. Dies erschwert die Gestaltung von Kursangeboten. Humankapitaldefizite werden weit stärker bei den Mitarbeitern erkannt und betriebswirtschaftliches Knowhow wird überwiegend extern eingekauft (Steuer- und Unternehmensberater). Dies ist allerdings zum Teil auch ein Effekt der kleinbetrieblichen Struktur „türkischer“ Betriebe. Insgesamt liefert die Untersuchung mannigfaltige Hinweise, in welcher Weise die Beratungs- und Qualifizierungsresistenz unter türkischstämmigen Selbständigen durch gezielte Gestaltungsmaßnahmen angegangen werden könnte und in welchen Bereichen Unterstützung notwendig erscheint. Eine nachhaltige Existenzsicherung und damit auch stabile Quartiersentwicklung ist allerdings nur dann gewährleistet, wenn Gründungen nicht um jeden Preis gefördert, sondern auch kritisch abgewogen werden.

Projektleitung: Dr. René Leicht
Mitarbeiter: Dr. Andreas Humpert, Markus Leiß, Michael Zimmer-Müller; Kerstin, Hermes
Auftraggeber: Deutsch-Türkisches Wirtschaftszentrum Mannheim (dtw)
Laufzeit: März 2004 bis Februar 2005

Veröffentlichungen 

Leicht, René: Fremde Unternehmenswelt. Die Ökonomie der Migranten in den Städten, in: Rheinpfalz-Forum: Die Konkurrenz der Kulturen, Nr. 170 v. 25.07.2005

Leicht, René, Andreas Humpert, Markus Leiss, Michael Zimmer-Müller; Kerstin Hermes: Qualifikationsbedarf und wirtschaftliche Probleme unter türkischen Gründern und Selbständigen in Mannheim. Projektbericht, im Erscheinen.

Leicht, René: Ausländer rein, in: Stuttgarter Zeitung, Beilage Mittelstand v. 17.07.2006

Vorträge

Leicht, René: Bedeutung, Struktur und Triebkräfte der ethnischen Ökonomie in Baden-Württemberg, Fachtagung „Migranten als Unternehmer – ein Beitrag zur Integration oder ein Wegbereiter ethnischer Abkapselung“ des Ausländerbeauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg, Stuttgart 29.11.2004.

Leicht, René: Charakteristika, Ressourcen und Probleme selbständiger Migranten, Bundesweite Fachtagung „Small Business und Lokale Ökonomie“, Mannheim, 21.04.2005.

Leicht, René: Unternehmerische Leistungen von Migranten und Migrantinnen: Charakteristika der ethnischen Ökonomie in Deutschland und in Mannheim, Internationales Kultur und Bildungszentrum Mannheim, 04.07.2006.

Leicht, René: Ethnische Ökonomie: Türkischstämmige Existenzgründer und Selbständige in Mannheim, Ausschuss für Wirtschaft und Beschäftigung des Gemeinderats der Stadt Mannheim, 05.07.2006.

 

 
Initiativen und Portale des ifm:
Dr. René Leicht
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