Frauen mit Fluchterfahrung gründen. Wissenschaftliche Begleitung eines Modellprojekts


Das Modellprojekt „Frauen mit Fluchterfahrung gründen“ wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Ziel des von jumpp Frankfurt (jumpp - Ihr Sprungbrett in die Selbstständigkeit, Frauenbetriebe e.V.) durchgeführten Projektes ist die Aktivierung und Förderung des unternehmerischen Potenzials von geflüchteten Frauen. Die wissenschaftliche Begleitung durch das Institut für Mittelstandsforschung (ifm) soll über die prozessbegleitende Evaluierung des Projekts hinaus weitere Erkenntnisse zum Gründungsverhalten dieser Personengruppe generieren.

 

 

Gründungsverhalten von weiblichen Geflüchteten

Nicht nur die große Zahl, sondern auch die soziodemografische Heterogenität der in jüngerer Zeit nach Deutschland geflüchteten Menschen erfordert neue Ideen und Arrangements, um die Zugewanderten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Besonderes Augenmerk verdienen hierbei weibliche Geflüchtete. Denn ihr Arbeitsmarktpotenzial wird oft unterschätzt, zumal sie der öffentliche Diskurs auf Stereotype, d.h. vor allem auf ihre Rolle als nachfolgende Ehefrauen oder Mütter reduziert. Gleichzeitig ist bekannt, dass der Schlüssel für soziale Kontakte und zur Selbstbestimmung eine möglichst frühzeitige Eingliederung in das Berufsleben ist.

Wie kann dies gelingen? Empirische Studien zu schon länger in Deutschland ansässigen Migrantinnen zeigen: Insbesondere der Schritt in die berufliche Selbstständigkeit eröffnet ihnen große Chancen, der Benachteiligung am Arbeitsmarkt zu entrinnen, Erwerbserfahrung zu gewinnen, ihre formellen und informellen Kompetenzen zu verwerten und gleichzeitig ihre Arbeit flexibel und familienkonform zu gestalten. So ist die Zahl selbstständiger Frauen mit Migrationshintergrund in den letzten zehn Jahren um über 40% und damit doppelt so stark wie die ihrer männlichen Pendants gestiegen. Doch Frauen sind, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, in den Möglichkeiten der Gestaltung ihrer beruflichen Karrieren noch immer stark durch Rollenbilder und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Daher liegt auch die Selbstständigenquote von Migrantinnen im Vergleich zu Männern mit Migrationshintergrund weiterhin auf einem niedrigen Ausgangsniveau.

Bezüglich des Gründungsverhaltens der Zielgruppe Frauen mit Fluchtbiografie ist bisher noch wenig bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass ihr Gründungspotenzial bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Diesbezüglich Erkenntnisse zu generieren und praxistauglich aufzubereiten, ist deshalb die übergeordnete Zielsetzung der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts durch das ifm.

Perspektiven schaffen – Potenziale aktivieren und fördern

Existenzgründungen sind für Frauen mit Fluchterfahrung eine Herausforderung und Chance zugleich. Einerseits fehlen oft Ressourcen und Möglichkeiten, um ein Unternehmen zu gründen. Andererseits eröffnet sich hierdurch ggf. ein alternativer Weg der Arbeitsmarktintegration. Eine Eingliederung über den Weg beruflicher Selbstständigkeit erfordert allerdings eine zielgruppenspezifische und sensible Förderung und Unterstützung im Gründungsprozess.

Vor diesem Hintergrund initiierte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) das Modellprojekt „Frauen mit Fluchterfahrung gründen“, um eine bessere Ausgangssituation zu schaffen und im Sinne von Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter das unternehmerische Potenzial von weiblichen Geflüchteten wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Die operative Durchführung des Projekts liegt bei der Organisation jumpp – Ihr Sprungbrett in die Selbstständigkeit – Frauenbetriebe e.V.. Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung übernimmt das Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim.

Ergebnisse evaluieren und sichern

Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des ifm ist ein wesentlicher Bestandteil von „Frauen mit Fluchterfahrung gründen“ und erfolgt prozessbegleitend während der gesamten Projektlaufzeit. Einerseits werden Erkenntnisse und Ergebnisse des Projektes dokumentiert, andererseits sollen daraus identifizierte Lern- und Veränderungsprozess im weiteren Projektverlauf eingebracht werden. Ergebnisse der Evaluation werden anderen Regionen sowie Multiplikatoren und Institutionen auf Bundesebene zur Verfügung gestellt. Entsprechend zielt die Evaluation auch darauf ab, das bestehende Informationsdefizit bezüglich der beruflichen Situation von weiblichen Geflüchteten in Deutschland zu schließen bzw. zumindest zu verringern.

Mentoring und praxisnahes Begleitprogramm

„Frauen mit Fluchterfahrung gründen“ unterstützt Frauen aller Nationalitäten, die ihr unternehmerisches Potenzial als Chance ihrer sozialen Integration nutzen möchten. Mentoring ist dabei das zentrale Element der Unterstützung. Als Mentorinnen und Mentoren fungieren Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte, die geflüchteten Frauen als Mentees im Projekt ehrenamtlich unterstützen. Zudem gibt es ein speziell konzipiertes Begleitprogramm: individuelle Einzelberatungen und Coachings, Workshops, Unterstützung beim Networking, Hospitationen und Zusammenarbeit in Unterstützungsteams. Eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit und Sichtbarkeit des Projektes soll darüber hinaus dazu beitragen, dass Institutionen und Entscheidungsträger für die Belange von geflüchteten Frauen sensibilisiert werden und die Frauen mit Gründungspotenzial im Projekt als Vorbilder in der Öffentlichkeit fungieren.

Dreijährige Laufzeit

Das Programm verläuft in drei Phasen. Die erste Phase (2017) zielt darauf ab, die Öffentlichkeit sowie Multiplikatoren zu sensibilisieren und Potenziale weiblicher Geflüchteter zu aktivieren. In der zweiten Phase (2018) beginnt das Mentoring und die Teilnehmerinnen werden bei der Entwicklung ihrer Geschäftsidee unterstützt, die sie in der dritten Phase (2019) umsetzen sollen. Die geflüchteten Frauen werden während den zwei Gründungsjahren durch ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren begleitet. Die Evaluierung ist prozessbegleitend während der gesamten Laufzeit von „Frauen mit Fluchterfahrung gründen“ angelegt.

Weiterführende Informationen zum Modellprojekt sind unter

www.frauenmitfluchterfahrunggruenden.de abrufbar.


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