Familienunternehmen schlagen den DAX: Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Familienunternehmen erschienen


Die 500 größten Familienunternehmen bauen im Inland Arbeitsplätze auf – im Gegensatz zu den nicht-familiengeführten DAX-Unternehmen. Auch beim Umsatz legen die familiengeführten Unternehmen stärker zu. "Unsere Ergebnisse belegen, dass die Familienunternehmen zurecht als eine tragende Säule des deutschen Erfolgsmodells angesehen werden", sagt Prof. Dr. Michael Woywode, Mitverfasser der Studie und Leiter des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim.

Die 500 größten Familienunternehmen in Deutschland bauen nach wie vor im großen Stil Mitarbeiterstellen im Inland auf. Sie schneiden in dieser Hinsicht viel besser ab als die großen börsennotierten deutschen Publikumsgesellschaften von Bayer bis Daimler, die im Aktienindex Dax vertreten sind. Im genannten Betrachtungszeitraum stieg die Inlandsbeschäftigung der 500 größten Familienunternehmen von knapp 3 Millionen Beschäftigten auf heute rund 3,3 Millionen. Dies entspricht einem Zuwachs von 10 Prozent. Die Dax-27-Unternehmen hingegen, also die dreißig im Index vertretenen Gesellschaften ohne die drei Dax-Familienunternehmen Beiersdorf, Henkel und Merck, haben ihre Inlandsbeschäftigung dagegen um 7,3 Prozent von 1,5 auf rund 1,4 Millionen reduziert.

Der Beitrag der 500 größten Familienunternehmen zur Beschäftigung ist auch in der jüngeren Zeit - zwischen 2010 und 2012 - weiter gewachsen. Die Zahl ihrer Arbeitsplätze nahm in diesem Zeitraum um 4,1 Prozent im Inland und um 5,5 Prozent weltweit zu. Bei den nicht-familiengeführten DAX-Unternehmen schrumpfte dagegen im gleichen Zeitraum die Inlandsbeschäftigung um 1,4 Prozent. Weltweit nahm sie um 3,4 Prozent zu. Diese Zahlen stammen aus der Studie „die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen“, die das ifm Mannheim in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt hat. Die  Studie erscheint bereits zum vierten Mal.

Hinzu kommt: Die Arbeitsplätze der großen Familienunternehmen befinden sich – anders als bei den betrachteten Dax-Unternehmen – auch grundsätzlich vorwiegend im Inland. Fast 71 Prozent der Beschäftigten in Familienunternehmen arbeiten in Deutschland. Unter den Dax-27-Unternehmen gilt das für lediglich 38 Prozent der Beschäftigten. Die größere Dynamik der Familienunternehmen zeigt sich aber nicht nur im Beschäftigungsaufbau im Inland, sondern auch im Umsatz.

Prof. Woywode stellt fest: "Die Familienunternehmen erwirtschaften damit einen bedeutenden Anteil des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Sie sind wichtige und verlässliche Steuerzahler, anders als viele Großkonzerne. Zudem haben sich die Familienunternehmen in der jüngsten Vergangeheit als bemerkenswert krisenfest erwiesen und sind auch für die Zukunft zumeist gut aufgestellt." So lagen die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten von Familienunternehmen in den Jahren 2009 bis 2012 jeweils höher als von Nicht-Familienunternehmen und sie werden wohl auch in Zukunft auf einem historisch hohen Niveau verbleiben. "Die Familienunternehmen wollen damit ihre Unabhängigkeit und ihr Überleben sicherstellen", führt Prof. Woywode aus.

Brun-Hagen Hennerkes, den Vorsitzenden des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen, wundern die Ergebnisse der Studie nicht: „Die großen Familienunternehmen haben sich auch während der auf die Finanzkrise folgenden Eurokrise als robuster Motor der deutschen Konjunktur erwiesen“, kommentiert er die Ergebnisse der Analyse, die von der Stiftung herausgegeben wird. Denn sie stellten einen besonders krisenfesten Unternehmenstypus dar.

Wegen ihrer Bedeutung für das Land fordert Hennerkes ein Umdenken in der Gesellschaft: „Wir verlangen schon seit einigen Jahren, dass die Familienunternehmen als politisches Leitbild – sozusagen als unternehmerische Leitkultur – an die Stelle der Großkonzerne im Streubesitz treten. Die Familienunternehmen sind regional fest verwurzelt. Bei ihnen ist auf Grund der Eigentümerstruktur die Nachhaltigkeit im Nachfolgeprozess gesichert.“ Trotz der Bedeutung dieser Unternehmen für die Wirtschaft habe die große Koalition die Familienunternehmen bisher aber nicht im wünschenswerten Maß unterstützt: Die EEG-Reform habe den Anstieg der Energiekosten lediglich gebremst, nicht aber die Wettbewerbsfähigkeit mit den Nachbarländern hergestellt, beklagt Hennerkes.

Ein politikgemachtes Problem: Die Rente mit 63

Für Prof. Woywode stellt die Rente mit 63 das gegenwärtig größte Problem für Familienunternehmen dar. "Die vorgezogene Rente entzieht den Familienunternehmen kurzfristig viele erfahrene Mitarbeiter, die diese fest für die zukünftige Mitarbeit im Unternehmen eingeplant hatten. Es ist nun für viele Familienunternehmen, die typischerweise eine nationale Personalrekrutierungspolitik verfolgen und auf langfristige unternehmensinterne Karrieren ihrer Mitarbeiter setzen, sehr schwierig bis unmöglich, frühverrentende Mitarbeiter zu ersetzen. Personalwirtschaftliche Herausforderungen, die auf den demographischen Wandel zurückzuführen sind, werden durch die Rente mit 63 noch verschärft." Weiter sagt Prof. Woywode: "Ich gehe davon aus, dass die Regierung die Nachfrage nach der Rente mit 63 völlig falsch eingeschätzt hat." Bis Ende November wurden mehr als 180.000 Anträge gestellt. Die deutsche Rentenversicherung rechnet mit Kosten, die allein in diesem Jahr um mehr als die Hälfte höher sind als geplant.

Industrie 4.0 bringt einschneidende Veränderungen

Hennerkes beklagt, dass die Regierung mit der Frauenquote einen selbst gesetzten gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch auf Kosten der Unternehmen durchsetzen wolle. Auch seien weitere Beschränkungen für Zeitarbeit und Werksverträge geplant, welche die Arbeit der Familienunternehmen beeinträchtigten.

Was nach Ansicht von Prof. Woywode gegenwärtig fehlt ist ein Zeichen des Aufbruchs. "Die Unternehmen nehmen immer mehr Beschränkungen und Regulierungen wahr. Während in anderen Regionen der Welt Erfinder- und Unternehmergeist gerade zur Blüte kommt, gehen uns die Ideen und großen Visionen aus." Dazu passt, dass die Zahl der neugegründeten Unternehmen in Deutschland von 208.000 im Jahr 2010 auf 163.000 im Jahr 2013 gesunken ist. Diese Entwicklung ist in den Augen von Woywode zwar noch nicht besorgniserregend, da sich in den Gründungszahlen der Vergangenheit viele Sondereffekte, wie die EU-Osterweiterung, die Ich AG oder die Erleichterung von Gründungen im Handwerk als Sondereffekte positiv niederschlugen.  Doch für risikoreiche Ideen, wie die Biotechnologie, die Software- und Hardwaretechnologie, die Elektromobilität, die organische Elektronik und andere riskante Technologien, fehlt einfach die Einstellung und das entsprechende Wagniskapital.

Nicht zuletzt stünden gerade die Familienunternehmen mit dem Wandel, der sich hinter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ (der digitalen Vernetzung aller Produktionsmittel untereinander) verberge, vor einschneidenden Veränderungen. „Durch schnellen Datenaustausch wächst die Transparenz zwischen Kunden und Zulieferern. Bewährte Wertschöpfungsketten lösen sich auf. Auch das unternehmerische Eigentum ist künftig schwieriger zu definieren: Wem gehören die im Produktionsablauf gesammelten Daten, wer darf wie über sie verfügen? Hier müssen rechtlich eindeutige Regelungen noch gefunden werden“, sagt Hennerkes. Auch die Rolle der Mitarbeiter werde sich stark verändern. „Roboter werden einen Teil der Denkaufgaben übernehmen. Ein Mitarbeiter in der Produktion muss verstärkt ingenieursähnliche Aufgaben wahrnehmen. Die Talentgewinnung wird damit für die Familienunternehmen immer wichtiger.“ Zugleich steige aber auch die Attraktivität der Familienunternehmen für qualifizierte Bewerber, weil in Familienunternehmen individuellere Karrieren möglich seien als anderswo.
 

Hausaufgaben erledigen

Die Deutschen Familienunternehmen stehen im Durchschnitt blendend da, und für das Land sind sie ein Segen. Sie sichern Beschäftigung, sie sind in Krisenzeiten stabiler als andere Unternehmen, und innovativ sind sie obendrein. So erfreulich es aber ist, dass die 500 größten Familienunternehmen rund 70% ihrer Mitarbeiter im Inland beschäftigen, so sehr liegen darin auch Gefahren. Zum einen können diese Betriebe den Auswirkungen politischer Entscheidungen in Deutschland sehr viel schlechter ausweichen als auf der ganzen Welt tätige Großkonzerne. Zum anderen verkauft der deutsche Mittelstand zwar traditionell sehr viele Produkte ins Ausland aber die großen Aktiengesellschaften sind mit der Produktion und Vertrieb in der Regel noch internationaler aufgestellt. Insofern müssen sich die Familiengesellschaften für Globalisierung und Digitalisierung schnell besser rüsten. "Es ist schön, dass sie ihre Steuern heute zum größten Teil noch in Deutschland bezahlen und hier die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften. Aber diejenigen, die in Deutschland Wirtschaftspolitik machen, sollten nicht wie selbstverständlich annehmen, dass das so bleibt", sagt Carsten Knop von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in seinem Kommentar vom 27. November 2014.

Michael Woywode

 


27.11.14


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