Wirtschaftsforschungsinstitute diskutierten mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Rolle des Mittelstands im Zusammenhang mit Integration und Diversity Management


Deutschland steht vor großen Herausforderungen, es verfügt aber auch über viele ungenutzte Potentiale. Nicht nur die Integration von Flüchtlingen, sondern auch die Selbständigkeit von Frauen, älteren und jungen Gründern sowie Personen mit Beeinträchtigungen birgt gesellschaftliche und wirtschaftliche Möglichkeiten. Auf dem zurückliegenden Round Table Mittelstand in Berlin diskutierten Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums mit Wissenschaftlern mehrerer Forschungsinstitute, der KfW-Bank und Vertretern von Mittelstandsverbänden über die Chancen von Integration und Diversity im Mittelstand.

Große Bedeutung für eine nachhaltige Flüchtlingsintegration sprach Dr. Peter Weiss, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der betrieblichen Ausbildung zu. Ziel der Qualifizierungsinitiative "Wege in Ausbildung für Flüchtlinge" sei es, bis Ende 2018 bis zu 10.000 Jugendliche, die einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzen und Integrationskurse besucht haben, auf eine duale Ausbildung vorzubereiten und in Ausbildung zu vermitteln. Angesichts zahlreicher unbesetzter Ausbildungsplätze im Handwerk sei das für die Betriebe eine weitere Facette der Fachkräftesicherung. Der Weg dorthin ist aber steinig. Denn Voraussetzung für den aussichtsreichen Antritt eines Ausbildungsplatzes ist das erfolgreiche Absolvieren anspruchsvoller Sprachkurse und der Besuch von Integrationskursen, in denen relevantes Alltagswissen sowie gesellschaftliches und institutionelles Wissen vermittelt werden. Fragt man heute die neu angekommenen jüngeren Flüchtlinge zu ihren Plänen, dann geben viele an, dass sie studieren wollen! Das Konzept der dualen Ausbildung, die inhaltliche und finanzielle Attraktivität von Handwerksberufen sowie die Karrieremöglichkeiten sind den meisten Flüchtlingen gänzlich unbekannt. Wie auch, denn in ihrer Heimat funktionieren Ausbildungssystem und Wirtschaftssystem ganz anders.

Für viele anerkannte Flüchtlinge könnte weiterhin die Selbständigkeit in Zukunft eine interessante berufliche Option darstellen, die zu ihrer Integration in Wirtschaft und Gesellschaft beiträgt. Allerdings zeigt die Erfahrung, nach Aussage des Migrationsforschers René Leicht (ifm Mannheim), dass erst mit einer erheblichen zeitlichen Vorlaufzeit damit zu rechnen ist, dass anerkannte Flüchtlinge in großer Zahl als Selbständige auf dem Arbeitsmarkt auftreten werden. Dem Mittelstand kommt daher bereits kurzfristig neben den Großunternehmen eine erhebliche Rolle bei der Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge zu.

Nach Ansicht von Dr. Mandy Pastohr und Sarah Gerwing, Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft (RKW), stehen die Führungskräfte mittelständischer Unternehmen einer kulturellen Vielfalt vorrangig positiv gegenüber: So sind 52 % der Unterzeichner der Unternehmensinitiative "Charta der Vielfalt" Kleinstunternehmen sowie kleinere und mittlere Unternehmen. Gerade aufgrund ihrer flachen Hierarchien, der höheren Flexibilität und kurzen Informations- und Entscheidungswege bieten kleine Unternehmen oft bessere Voraussetzungen für die Mitarbeiterorientierung und individuelle Lösungen, so Dr. Mandy Pastohr (RKW).   

Prof. Woywode vom ifm Mannheim wies aber darauf hin, dass man den Mittelstand nicht mit zu großen Forderungen hinsichtlich seiner tatsächlichen Integrationsleistungen überfrachten sollte. Eine kürzlich durchgeführte Studie am ifm Mannheim zur Verbreitung und Anwendung von modernen Managementkonzepten im deutschen Mittelstand zeigte, dass die deutschen Mittelständler vor allem Managementkonzepte implementierten, die geeignet sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Besonders beliebt waren Managementkonzepte zur Qualitätsverbesserung (TQM, ISO 9000, Qualitätszirkel), zur Effizienzerhöhung (Lean Management, Outsourcing) und zur Erhöhung der Kundennähe (CRM, Key Account Management, Branding) bei den Mittelständlern. Diversity Management war dagegen ein eher unwichtiges Konzept bei den Mittelständlern. Das heißt aber eben nicht, dass Diversity Management im Mittelstand nicht gegeben ist. Es findet sich in vieler Hinsicht unterbewusst in den Handlungen der mittelständischen Unternehmer wieder. Es ist Aufgabe der Politik und der intermediären Organisationen, Mittelständlern ihre Integrationsleistungen möglichst leicht zu machen. Daher sollte das staatliche Angebot an Sprachkursen und Integrationsvorbereitungskursen weiter deutlich ausgebaut und die persönliche Betreuung der Flüchtlinge in der Phase der Integration verbessert werden. So kann aus der Herausforderung am Ende doch noch eine Chance werden.


13.04.16

 

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