FDP-Generalsekretär Dirk Niebel im Gespräch mit Jan Tänzler


Im Gespräch mit Jan Tänzler äußert sich FDP Generalsekretär Dirk Niebel zu der aktuellen Finanzmarktkrise.

Der Mittelstand inmitten der Finanzkrise
 
Jan Tänzler:
Herr Niebel, laut einer aktuellen Veröffentlichung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform stellt die Finanzkrise den Mittelstand vor arge Probleme. Die Umsätze sinken gewaltig und zusätzlich ist mit einem Anstieg der Insolvenzen auf bis zu 35.000 im laufenden Jahr zu rechnen. Was kann die Politik tun, um den Mittelstand zu entlasten?

Dirk Niebel:
Wir haben einen einfachen Maßnahmenkatalog erstellt. Steuern und Abgaben müssen gesenkt werden. Die hohen Beiträge zu den Sozialversicherungen machen Arbeitsplätze zu teuer. Wir wollen ein niedriges, einfaches und gerechtes Steuersystem ohne Ausnahmetatbestände. Die Erbschaftsteuerreform muss korrigiert werden, sie hat nur Belastungen beim Betriebsübergang gebracht. Statt Mindestlöhne einzuführen, müssen die tarifrechtlichen Regelungen flexibler werden, um mehr Raum für betriebliche Bündnisse für Arbeit zu geben. Die Ausweitung der Funktionärsmitbestimmung hat den Mittelstand mit Kosten in Millionenhöhe überzogen und stört das betriebliche Miteinander. Aus unserer Sicht sollte ein Betriebsrat erst ab mindestens 20 Beschäftigte gebildet werden und ein Wahlquorum von 50 Prozent erfordern. Eine Freistellung von Betriebsratsmitgliedern darf erst ab 500 Beschäftigte erfolgen können. Das Arbeitsrecht muss flexibilisiert und milliardenteure Bürokratie abgebaut werden. Ganz konkret könnten ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Hotellerie und Gastronomie bestehende Wettbewerbsnachteile für die Tourismusbranche in Deutschland abmildern.

Jan Tänzler
Viele Mittelständische Unternehmen klagen in diesen Zeiten über eine zunehmende Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe. Es gibt allerdings auch Stimmen, die kolportieren, es gäbe momentan noch keine Kreditklemme. Was kann die Politik machen, um das Vertrauen in der Wirtschaft und bei den Banken zu verbessern?

Dirk Niebel:
Der Finanzmarkt ist der am meisten regulierte Bereich der deutschen Wirtschaft und unterliegt der Staatsaufsicht. Diese Aufsicht ist aber nicht effektiv organisiert – was die FDP bereits vor Jahren beklagt hat -, und sie hat nicht funktioniert. Wir brauchen eine seriöse Finanzpolitik, die für alle echte Entlastungen und Vereinfachungen bringt und nicht nur neue Schulden auftürmt. Wir wollen eine starke Stellung des Staates: Er muss die Regeln setzen und dafür sorgen, dass es fairen Wettbewerb gibt. Fehlentwicklungen müssen gebremst oder ausgeschlossen werden. Notfalls muss er auch zu Sanktionen greifen. Enteignungen dürfen aber nicht dazu gehören, weil sie das Vertrauen der Investoren in den Standort Deutschland gefährden.

Jan Tänzler:
Als Ursache der Finanzkrise gelten Zahlungsausfälle im US-Immobiliensektor. Jetzt droht im Kreditkartenbereich in den USA die zweite Welle der Finanzkrise. Gibt es in Deutschland noch Spielraum, um von Seiten des Staates auf eine zweite Krisenwelle reagieren zu können?
 
Dirk Niebel:
Klassische Konjunkturprogramme laufen oft das Verbrennen von Steuergeldern hinaus. Aus unserer Sicht heißt das wirksamste Konjunkturprogramm: "Steuern runter!". Noch ist genug Geld da, aber der Staat gibt es nicht vernünftig aus. Darüber hinaus brauchen wir ein echtes Wachstumsprogramm. Dazu gehört ein transparentes und faires Steuersystem. Wenn zum Beispiel im konventionellen Kraftwerksbau die ideologischen Bremsen gelöst und ein nationales Energiekonzept vorgelegt würden, könnten 40 Milliarden Euro privates Geld investiert werden. Wenn beim Thema Verkehrsinfrastruktur das 2005 im Koalitionsvertrag angekündigte Flughafenkonzept vorgelegt würde, könnten rund 20 Milliarden Euro private Mittel investiert werden. Durch die Zulassung von Modellregionen mit vereinfachten Planverfahren könnten weitere private Investitionen angeregt werden.

Jan Tänzler:
Die Regierungschefs versuchen derweil, Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. In London haben die G20 strengere Regeln für die Finanzkrise beschlossen. Gehen diese Regeln aus Ihrer Sicht in die richtige Richtung?

Dirk Niebel:
Eine europäische Aufsichtsbehörde ist ein sinnvolles Ziel, damit es einen Ansprechpartner gibt. Aber es stellt sich schon die Frage, wie eine europäische Bankenaufsicht funktionieren soll, wenn die Bundesregierung nicht einmal hier eine einheitliche durchsetzen kann.

Jan Tänzler:
Welche Neuregelung des internationalen Finanzsystems ist aus Ihrer Sicht am notwendigsten?

Dirk Niebel:
Wir müssen mit unserem ordnenden Regelwerk der Globalisierung der Wirtschaft und Finanzmärkte folgen. Das geht nur mit internationalen Regeln. Tranzparenz ist notwendig und ein internationaler Standard für die Aufsichtsstrukturen.

Jan Tänzler:
Gibt es auch Bereiche, in denen speziell Deutschland seine Gesetze überarbeiten muss?

Dirk Niebel:
Die Unternehmensteuerreform muss korrigiert werden. Maßnahmen wie die Zinsschranke, die Einschränkungen beim Verlustabzug und die Besteuerung von Funktionsverlagerungen bringen Unternehmen zusätzlich in Schwierigkeiten, die angesichts des konjunkturellen Abschwungs ohnehin unter sinkenden Gewinnen leiden. Die Gegenfinanzierungsmaßnahmen zur Unternehmensteuerreform müssen zurückgenommen bzw. abgemildert werden. Die zweigeteilte Bankenaufsicht der rot-grünen Bundesregierung muss in eine Hand gegeben werden, am besten bei der Bundesbank.

Jan Tänzler:
Muss man sich als eine Konsequenz auch Gedanken über die zukünftige Besetzung der Verwaltungsräte der Landesbanken machen? Schließlich konnten diese durch ihre Aufsicht die Schieflage der Institute nicht vermeiden.

Dirk Niebel:

Es geht um mehr als die Besetzung der Verwaltungsräte. Schließlich haben sich die Landesbanken in der Finanzkrise als Risikofaktor für das deutsche Finanzsystem und den Steuerzahler erwiesen. Es macht keinen Sinn, dass der Staat Schulden übernimmt, solange es kein Geschäftsmodell für die Zukunft gibt.


Jan Tänzler:
Was halten Sie von der Idee, die ausfallbedrohten Forderungen in so genannte „Bad- Banks“ auszugliedern?

Dirk Niebel:

Wir lehnen eine zentrale Bad Bank ab. Der Steuerzahler würde die immensen Verluste tragen müssen, die die Banken durch die Beteiligung an nicht werthaltigen Anlageprodukten verursacht haben. Eigentümer und Management würden aus der Verantwortung entlassen. Eine Möglichkeit wären bankeigene Bad Banks - für die dann weiterhin die Eigentümer der Bank, die Aktionäre, haften und das Management verantwortlich bleibt. Einzelne Banken sollen die Möglichkeit haben, durch die Auslagerung wertloser oder zurzeit nicht bewertbarer Vermögenswerte ihre Bilanzen zu entlasten. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass die Banken im Laufe der Zeit die ihnen entstandenen Schäden selbst regulieren können. Aus unserer Sicht muss aber gewährleistet sein, dass die Eigentümer der Banken und die Verursacher möglicher Schäden weiterhin in Anspruch genommen werden können.

Jan Tänzler:
Zurück zum Mittelstand: Der Mittelstand in der Rhein-Neckar Region ist laut der IHK auch in Zeiten der Wirtschaftskrise gut aufgestellt. Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg?

Dirk Niebel:

Mittelständische Tugenden wie Mut und Verantwortungsgefühl haben Deutschland voran gebracht. Der Schlüssel zum Erfolg ist eine breite Angebotsvielfalt, ein funktionierender Wettbewerb und ein fairer Preis. Darüber hinaus haftet jeder Mittelständler für seine Entscheidungen mit dem letzten Hosenknopf. Das lässt einen vorsichtig sein.

Jan Tänzler:
Lassen Sie uns am Ende noch einen Blick in die Zukunft wagen: Kann der Mittelstand mit weiteren Entlastungen rechnen?

Dirk Niebel:
Der Mittelstand erwirtschaftet mehr als 40 % aller Umsätze in den Unternehmen, leistet 44 % des Steueraufkommens aus Unternehmen und Kapitaleinkommen und stellt 71 % der Arbeits- und 83 % der Ausbildungsplätze. Wir brauchen endlich mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen.

Jan Tänzler:
Herzlichen Dank für das Gespräch!


25.04.09

 

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